Andacht zu Ostern
Diessenhofer Osterpredigt 2020
Petrus aber stand auf, eilte zum Grab und ging in das Grab hinein. Er sieht die Leinenbinden daliegen und das Schweisstuch, das auf Jesu Haupt gelegen hatte; es lag nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengerollt an einem Ort für sich. Und er ging nach Hause, voller Verwunderung über das, was geschehen war.
Lukas 24,12 ǀ Johannes 20,6.7
Was für seltsame Tage sind das! Seit Kriegszeiten hat es ein solches Osterdatum nicht mehr gegeben. Was für ein eintöniges Einerlei ist das doch, worin wir gefangen sind … Bietet das Fest wenigstens etwas Abwechslung? Oder ist die Osterfreude ein Wundermittel, das wir einnehmen – und gleich geht es besser?
Vorsicht. Mit Wundern ist das so eine Sache. Lieber stehen wir auf der sicheren Seite. Verlassen uns auf etwas Handfestes. Also auf das, was man anpacken und berechnen kann. Selber rechnen wir uns wohl allermeist zu den Tatsachenmenschen und haben ein sachliches Verhältnis zu den Dingen. Dagegen die Osterberichte im neuen Testament – sind sie nicht seltsam unwirklich? Fast zu schön, um wahr zu sein?
Und doch! Gibt es in diesen Berichten nicht ein gewisses Etwas, das aufhorchen lässt? Männer und Frauen pilgern an den Ort, da Jesus begraben wurde. Einer der Besucher will genau wissen, was los ist. Es ist Petrus. Auch er ist ein Tatsachenmensch. Deshalb steigt er in das Felsengrab hinein. Inspiziert den Innenraum. Und was sieht er? Nichts! Aber halt – war da nicht doch etwas? Genau! Die Leintücher, mit denen der Tote eingewickelt war: Hier auf dieser Seite liegen sie. Und auf der anderen Seite? Da ist das Schweisstuch, mit dem das Haupt des Toten verhüllt war. Alles ordentlich zusammengelegt. Alles fein und präzise zusammengerollt. Jedes Ding an seinem Platz. Wie es sein muss. Was für ein sauberes, klares Bild inmitten der ansonsten düsteren Grabeshöhle!
Petrus macht sich so seine Gedanken. Schon merkwürdig: Der Verstorbene ist verschwunden. Aber irgend jemand hat offenbar in aller Seelenruhe und äusserst akkurat „das Bett gemacht“. Wer mag das gewesen sein? Ein Grabräuber? Kaum. Der hätte wohl nur ein wirres Gewühle hinterlassen. Und dann denkt Petrus das bisher Undenkbare: Ob schlussendlich der Verstorbene selbst der Aufräumer im eigenen Grab gewesen ist? Ob Jesus, als er aus dem Tod erwachte und neue Leibeskräfte in sich spürte, selber diese Textilien zusammenfaltete und ablegte, bevor er seine Ruhestätte verliess – im Aufbruch zu neuen Taten?
Je länger Petrus auf dem Heimweg nachdenkt, desto wahrscheinlicher erscheint ihm diese Erklärung. Denn dass Jesus im eigenen Grab für Ordnung sorgte – das passt zu seiner zupackenden Art. Schon während seiner beruflichen Karriere als Zimmermann und Baumeister wurde das überdeutlich. Auch später in seinen Wanderjahren kümmerte sich Jesus engagiert um die Details: Angefangen von der Sorge um das leibliche Wohl seiner Zuhörer, deren Zahl oft in die Tausende ging, über die generalstabsmässige Planung seines Einzugs in Jerusalem an Palmsonntag – bis hin zur Fürsorge für seine Mutter. Ihre Betreuung hat er mit letztem Einsatz organisiert. Und zwar im Zusammenhang mit seinem tragischen Ende am Kreuz.
Und wie schaut es nach seiner Auferstehung aus? Wenn nicht alles täuscht, geht es danach in derselben Weise weiter. Jesus hat alles auf dem Radar, denkt an alles, angefangen vom ordentlichen Verlassen seines Grabes bis hin zu den Fischen, die er brät am Ufer des Sees Genezareth. Hier lädt er seine Jünger zum Frühstück ein (Johannes 21,9-14). Kein Ding ist ihm unwesentlich. Was er anpackt, macht Sinn. Alles ist zweckmässig aufbereitet.
Was bedeutet das für uns an Ostern 2020? Dieses Fest hat eine wunderbare und ebenso praktische Seite. An Ostern wird das Tor zu unserer paradiesischen Zukunft aufgeschlossen. Ostern liefert aber auch den Schlüssel für unser Hier und Heute.
Denn hier und heute brauchen wir einen, „der mit uns geht, der´s Leben kennt, der mich versteht, der auch im Schweren zu mir steht, der in den dunklen Stunden mir verbunden, der mich zu allen Zeiten kann geleiten ….“ Und weiter heisst es in diesem Lied: „Sie nennen ihn den Herren Christ, der durch den Tod gegangen ist. Er will durch Leid und Freuden mich geleiten – ich möcht, dass er auch mit mir geht.“
Dieser Herr Christus weiss sehr wohl, dass wir – im Unterschied zu ihm – zunächst noch hier auf dieser Erde festsitzen. Dass wir hier und heute unseren Mann und unsere Frau stehen müssen. Deshalb ruft er uns zu: Seht her, ich habe den schlimmsten Feind besiegt, den es gibt – den Tod. Wenn ich das geschafft habe, werde ich doch auch mit euren Problemen fertig, die sich hier und heute auftürmen? Ich, der Auferstandene, bin mir ja nicht zu schade, mich selbst um Leintücher und Textilien zu kümmern. Umso mehr begleite ich euch in euren täglichen Abläufen: Wenn ihr aufsteht. Wenn ihr euch zum Frühstück hinsetzt. Wenn ihr an die Arbeit geht. Wenn ihr damit immer wieder viel zu früh fertig seid, weil es derzeit eben nicht viel Arbeit gibt. Ich bin bei euch, wenn ihr euch langweilt und euch die Decke auf den Kopf fällt. Ich bin bei euch, wenn ihr aufbrecht zu einsamen Spaziergängen. Und wenn ihr euch abends schlafen legt. Und vielleicht nicht einschlafen könnt …
Nichts ist zu gross – ich umfasse es, sagt der Auferstandene. Nichts ist zu klein – ich kümmere mich darum. Wie ich das Leben in seiner ganzen Bandbreite durchschritten habe, so bin ich bei euch in der Länge und Breite eurer Tage. Ja, ich kümmere mich um eure Einzelheiten. Ja, ich mache euch Mut zum Frühjahrsputz. Ja, ich helfe euch beim Aufräumen und Ausmisten eurer Häuser, Kammern, Stuben, Estriche, Keller und Gärten.
Und vor allem: Ich schaffe Ordnung in euren Köpfen und Herzen. Ich gehe mit euch in die dunklen Ecken und Verstecke eures Lebenshauses, wo noch viel Schmutz und Unrat herumliegt. Ich helfe euch beim moralischen Saubermachen. Ich zeige euch die höhere Ordnung, die in der oberen Welt meines Vaters herrscht. Orientiert euch an diesem Vorbild! Dann bekommt ihr den Kopf frei. Ihr wollt doch Christen sein? Ihr heisst nach meinem Namen? Also führt ein geordnetes, zielgerichtetes Leben, das meiner Auferstehung würdig ist. Christ sein heisst klar sein!
Auf diese oder ähnliche Weise könnte Jesus Christus zu unseren Herzen und Gewissen sprechen an diesen Ostertagen. Und wir könnten vielleicht folgende Antwort finden im Gebet …
Herr Jesus Christus! Deine Auferstehung ist voller Geheimnisse und Wunder – und setzt ungeahnte Kräfte frei im Hier und Heute. Deine Auferstehungskräfte kommen uns besonders in diesen stillen Tagen und Wochen zugute. In dieser Stille hören, spüren und sehen wir mehr als sonst. Das schafft ungeahnte Freiräume. Wir bitten dich: Deine Auferstehung gebe uns den Mut, dass wir klar Schiff machen. Und unser Leben auf die Reihe kriegen. Du gehst mit gutem Beispiel voran. Dir folgen wir in einer möglichst hellen, klaren Gesinnung. Und in einer möglichst festen Haltung des Glaubens. Dann erreichen wir auch die höheren Ziele, zu denen du uns berufen hast. Danke für deine treue und sensible Wegbegleitung jeden Tag. Amen.
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