Alltagsgedanken mit Tiefen- und Höhensinn

Eine prominente Dichterlesung fand am vergangenen Dienstag 18.10. im Evangelischen Kirchgemeindehaus Diessenhofen statt. Im Rahmen von „Kultur am Nachmittag“ präsentierte Doris Widler – bekannt unter ihrem Künstlernamen Doris Host – eine Fülle sinnstiftendender Alltagsgedanken. Diese entnahm sie jenen sechs Gedichtbänden, die im Laufe dreier Jahrzehnte aus ihrer Feder entstanden sind. Zu Gehör kamen Anekdoten aus der bunten Bandbreite des Daseins. Geschildert wurde das Leben in seiner persönlichen, gemeinschaftlichen und naturgegebenen Vielfalt. Damit traf die Autorin die Erwartungen und den Geschmack des Publikums. Mit humorvoll bewegter, ausdrucksstarker Stimme trug sie ihre dichterisch geformten Gedanken vor, die Heiterkeit, Nachdenklichkeit und kräftigen Beifall auslösten.

Wie auf Erden so im Himmel

Inhaltlich kreisten die Gedichte um ganz normale Vorgänge, aus denen Doris Widler einen tieferen oder höheren Sinn ableitete. Eingangs beschrieb sie den Flug eines Ballons, der zuvor am Boden gelegen hatte und erst in einem langwierigen Vorgang aufgeblasen werden musste. Mit liebevoll aufmerksamem Blick fürs Detail schilderte die Autorin, wie aus einem kümmerlichen Häuflein Stoff über die Zwischenstufe einer rundlichen Schlange sich allmählich jener riesengross prächtige Ball aufgewölbt habe, der dann zu einem herrlichen Rundflug startete – mit ungeahnten Aussichten.

Nach diesem Höhenflug schwenkte die Autorin wieder auf organisatorische Welten um, ohne freilich die höheren Welten aus dem Auge zu verlieren. Sie tat das nach dem Motto: Wie auf Erden so im Himmel. So beschrieb sie terminliche Vereinbarungen im Familien- und Kollegenkreis, die sich steigern bis hinauf zu höchstgestellten Persönlichkeiten wie dem Apostel Petrus: Selbst mit ihm sei ein Termin zu vereinbaren, und zwar deshalb, um den Eingang in den Himmel bewilligt zu bekommen.

Tägliches Wechselspiel im Horizont der Dankbarkeit

Sogar von diesem paradiesischen Höhenflug – so schön er war – ging es wieder hinab, dieses Mal ausgerechnet in die Niederungen moderner Technik. Diese habe beim Gebrauch von Natel und WhatsApp ihre besonderen Tücken, die jedoch mit Humor und tatkräftiger Mithilfe kundiger Familienangehöriger gut und gerne überwunden werden, wie Frau Widler schmunzelnd ausführte. Von einer gestohlenen Minute war alsdann die Rede, die sich erstaunlicherweise zu einer gewonnenen Zeit umwandelt, und von einem Traum, der bei näherem Hinsehen verblüffend genau die eigene Lebenswirklichkeit abspiegelt.

Den Abschluss bildeten jahreszeitliche Betrachtungen über den derzeit goldenen Herbst in seiner Strahlkraft zur Ehre Gottes. Damit wurde der Erzähl-Bogen abgerundet im Dank an den Schöpfer, in dessen Gedanken und Handlungen unser alltägliches Dasein eingebettet ist.

Feinfühliger Einblick und hintersinniger Ausblick

Im hingebungsvollen Hinschauen, meditativen Zuhören und schreibenden Gestalten liegt die Begabung der Autorin. Was sie sinnlich aufnimmt und gedanklich in grosser Zuversicht bewegt, spiegelt sich in dem, was sie niederschreibt und in Buchform veröffentlicht. „Fasziniert und inspiriert vom tieferen Sinn, welcher hinter all den täglichen Kleinigkeiten zu finden ist, versuche ich meinen Gedanken in Gedichten und Prosa eine (be)sinnliche Form zu geben“, sagt sie über sich und ihr Werk. Es seien Nachttisch-Bücher, immer zur Hand, wenn Bedarf bestehe nach einem versöhnlich-tröstlichen Einblick in unsere Welt, wie sie nun einmal ist – und wie sie dann auf höherer Ebene immer wieder neu erfahrbar werden kann.

Natur und Kultur

In Düsseldorf geboren, verbrachte Doris Widler in Büsingen ihre Kindheit und Jugend, um als Erwachsene den Schwerpunkt nach Schaffhausen zu verlegen. Im Hauptberuf war sie als Kauffrau und Katechetin tätig. Seit einigen Jahren ist die Mutter dreier erwachsener Kinder im Städtli beheimatet. Die harmonische Umgebung der Idylle des Hochrheins prägt ihr dichterisches Schaffen – wovon die nachmittägliche Veranstaltung ein beredtes Zeugnis ablegte.

Brigitta Lampert und Edith Lüdi begleiteten den Anlass mit Klavier zu vier Händen und gaben dem Ganzen eine festliche Ausprägung. Bei einem anschließenden Zvieri und angeregten Gesprächen klang diese kulturbewusste Zusammenkunft aus, die von Tanja Schum bestens vorbereitet worden war. Das nächste derartige Treffen ist am 15. November im Evangelischen Gemeindehaus Diessenhofen, und zwar wiederum mit Gedichten und Kurzgeschichten, die dann von Lilo Kottmann vorgetragen werden.

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