Predigt von Pfarrer Thomas Hilsberg zum Gottesdienst vom 4. Advent

 

1. Mose 18, 1-15

Und der HERR erschien ihm im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde uns sprach: Herr, habe ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so geh nicht an deinem Knecht vorüber. Man soll auch ein wenig Wasser bringen, euere Füße zu waschen, und lasst euch nieder unter dem Baum. Und ich will euch einen Bissen Brot bringen, dass ihr euer Herz labt; danach mögt ihr weiterziehen. Denn darum seid ihr bei euerem Knecht vorübergekommen. Sie sprachen: Tu, wie du gesagt hast.

Abraham eilte in das Zelt zu Sara und sprach: Eile und menge drei Maß feines Mehl, knete und backe Brote. Er aber lief zu den Rindern und holte ein zartes, gutes Kalb und gab es dem Knecht, der eilte und bereitete es zu. Und er trug Butter und Milch auf und von dem Kalb, das er zubereitet hatte, und setzte es ihnen vor und blieb stehen vor ihnen unter dem Baum, und sie aßen.

Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete: Drinnen im Zelt. Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr, siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes. Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise. Darum lachte sie bei sich selbst und sprach; Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren, und auch mein Herr ist alt!

Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben. Da leugnete Sara und sprach: Ich habe nicht gelacht -, denn sie fürchtete sich. Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht.

Advent! Ankunft. Gott kommt zu den Menschen. Hier kommt er zu Abraham.

Es ist früher Nachmittag, und die Sonne brennt heiß vom Himmel. Abraham macht Siesta. Vernünftigerweise. Er sitzt im Zelteingang. Da hat er Schatten, und gleichzeitig frische Luft. Wahrscheinlich ist er ein Bisschen eingenickt. Als er die Augen öffnet und aufsieht, bemerkt er: Ich kriege Besuch!

Der Herr ist im Anmarsch. Und dann stehen drei Herren vor Abraham. Aber sie reden wie mit einem Mund. Christliche Ausleger haben später in dieser Erscheinung den dreieinigen Gott erkannt: Den Vater, der über uns ist. Den Sohn, der später einer von uns wird. Und den Geist, der in unseren Herzen wohnt. Doch zusammen nur ein Gott. Der aber schon im Hebräischen mit einer Pluralform benannt wird: Elohim.

Der Allmächtige, der Unsichtbare, in Gestalt von drei hungrigen Wanderern? Offenbar gilt auch hier: Nichts ist unmöglich. In ein paar Tagen feiern wir ein Ereignis, das ist noch ungleich schräger, noch unmöglicher: Der Geist, der das Universum regiert, liegt in einem leeren Fresstrog und kackt die Windeln voll.

Abraham kriegt göttlichen Besuch. Müssen wir auch mit solchen Erlebnissen rechnen? Ausschließen können wir das nicht. Der Hebräerbrief fordert uns auf: Seid gastfreundlich! Denn da haben schon welche, ohne es zu merken, Engel beherbergt.

Noch deutlicher wird der Herr Jesus selbst. Er kündigt an: In den Not leidenden Mitmenschen kommt er selbst zu uns. Ob wir Kranke besuchen, mit Hungrigen teilen, Gefangenen was zustecken, oder ob wir es nicht tun, das haben wir ihm getan. Oder eben nicht.

So gesehen handelt Abraham absolut richtig. Er eilt den Besuchern entgegen. Er begrüßt sie äußerst respektvoll. Und er lädt sie ein, zu bleiben. Abraham denkt an alles: Ein Fußbad nach dem Marsch in der Hitze. Ein schattiges Plätzchen zum Ausruhen. Und eine kleine Stärkung für den weiteren Weg. Ein Stückchen Brot. Sagt er. Und dann muss seine Frau schnell Kuchen backen. Der Knecht muss ein zartes Kalb zu Geschnetzeltem verarbeiten. Und der Chef selbst kümmert sich um die Sahnesoße. Nein, Rösti gibt`s keine dazu. Dazu mussten sie erst Amerika entdecken, wegen Kartoffeln. Also Brotfladen. Trotzdem ein echtes Festmahl.

Und dann fragen die Gäste nach der Hausfrau: Wo ist Sara? – Drinnen. Im Zelt. Wie bei Schiller: Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau. Sie wissen, wie es bei Schiller weitergeht? Die Mutter der Kinder / und herrschet weise / im häuslichen Kreise / und lehret die Mädchen / und wehret den Knaben… Nur passt das jetzt nicht mehr. Kein Mädchen zu lehren, und kein Knabe zu disziplinieren. Sara und Abraham sind jetzt in einem Alter, wo sie Enkel haben könnten. Ach was, Urenkel! Aber die beiden sind leider unfreiwillig kinderlos. Obwohl Gott dem Abraham doch einen Stammhalter versprochen hatte.

Das heißt, da gibt es ein dunkles Familiengeheimnis. Abraham hatte gemeint, er müsse Gottes Verheißung selbst in die Hand nehmen. Er hatte Saras Zofe Hagar zu seiner Nebenfrau gemacht. Beziehungsweise er hat sie als Leihmutter missbraucht. Da gibt es einen Sohn. Aber davon ist hier nicht die Rede. Der Herr wiederholt hier seine Verheißung. Und er sagt auch ein klares Datum: Nächstes Jahr um diese Zeit komme ich wieder. Und dann wird Sara, deine Frau, einen Sohn haben.

Sara steht hinter dem Zelteingang und lauscht. Und von dort hört man es glucksen und kichern. Jaja, Sara ist immer noch ein heißer Feger. Aber das sind bei ihr inzwischen mehr die Hitzewallungen. Ihr ging es nicht mehr nach der Frauen Weise, übersetzt Luther. Lächerlich, die Vorstellung, noch Nachwuchs zu bekommen. Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren, denkt sie. Da hat man so ein uraltes Paar vor Augen, die händchenhaltend auf der Parkbank sitzen und sich fragen: Gehen wir in mein Altersheim, oder in deins? Für Sara offensichtlich ein erheiternder Gedanke. Aber nicht nur sie ist schon etwas über ihre besten Jahre hinaus, denkt sie sich. Auch mein Eheherr ist alt! Hast du noch Sex, oder spielst du schon Golf? Für Abraham scheint diese Frage beantwortet zu sein.

Da werden Saras belustigten Gedanken jäh unterbrochen. Gott fragt den Abraham: Was hat Sara denn da zu lachen? Und warum sagt sie sich: Sollte ich wirklich noch gebären, jetzt, da ich alt bin? Das versucht die Gute hier zu leugnen: Ich habe doch nicht gelacht! Aber damit kommt sie nicht durch. Wenn überhaupt einer Gedanken lesen kann, dann Gott selbst. Du hast gelacht, sagt er, und das ist hier ein Vorwurf. Ja, es gibt viel zu lachen im

Leben. Vieles, das unfreiwillig komisch ist. Gute Witze und total absurde Situationen. Da kann man sich drüber amüsieren. Wir Christen müssen nicht zum Lachen in den Keller gehen. Wir müssen uns zum Lachen auch nicht im Beduinenzelt verstecken wie Sara.

Aber hier ist eben eine Grenze überschritten worden. Gott hat ein ganz klares Versprechen gegeben. Da dürfen wir uns drüber freuen. Und uns drauf freuen, wie er es erfüllen wird. Da ist Vorfreude angebracht, jawohl. Aber kein Spott. Kein ungläubiges, hämisches Kichern. Kein verlegenes Lachen, weil man es im tiefsten Herzen doch nicht glaubt.

Deshalb hat sich Sara hier diese Zurechtweisung von allerhöchster Stelle eingefangen. Aber damit ist die Sache gut. Es bleibt bei Gottes Verheißung, die hier nochmals ausdrücklich wiederholt wird: Übers Jahr soll Sara einen Sohn haben. Und den beiden alten Leuten wird noch eine gute theologische Lehre mitgegeben: Sollte Gott irgendwas unmöglich sein?

Das sollten wir mitnehmen: Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein? Nein und nochmals nein! Bei Gott gilt: „Geht nicht gibt´s nicht!“ Wie unsere Vorfahren zu sagen pflegten: „Unsere Verlegenheiten sind Gottes Gelegenheiten“. Natürlich, Gott erhört nicht jedes Gebet so, wie wir es gern hätten. Aber wenn er was verspricht, dann dürfen wir fest damit rechnen, dass es passiert. Bonhoeffer hat das schöne Wort gesagt: „Gott erfüllt nicht alle unsere Wünsche, aber er erfüllt alle seine Verheißungen“.

Um noch jemanden zu zitieren: „Wir können mit Gottes Verheißungen rechnen wie mit Zahlen“. Liebe Sara, wenn Gott dir verspricht, dass du in einem Jahr Mami bist, dann solltest du ihn nicht auslachen. Dann darfst du in Vorfreude vergnügt sein. Und auf jeden Fall solltest du schon mal damit anfangen, Babysachen zu häkeln.

Wie wir wissen, hat Gott Wort gehalten. Isaak kam pünktlich zur Welt. Von ihm stammt das Volk Israel ab. Und rund tausendachthundert Jahre später kam in diesem Volk Christus zur Welt. Auch eine Sache, die Gott durch viele Propheten vorher angekündigt hatte. Dass er in Bethlehem zur Welt kommen würde. Und dass er in Jerusalem leiden und sterben würde. Und dass das passieren muss, damit wir durch seine Wunden geheilt würden.

In der Tat sind hunderte von biblischen Prophetien inzwischen erfüllt.

Und ein paar stehen noch aus. Im Wesentlichen beziehen die sich auf das Wiederkommen von Jesus, das letzte Gericht und den neuen Himmel und die neue Erde, die Gott schaffen wird.

Das ist das eigentliche Thema der Adventszeit. Nein, wir warten nicht auf Weihnachten. Wir warten auch nicht auf ein Christkind, das alle Jahre wiederkommt, um uns mit Äpfeln, Nüss´ und Mandelkern zu erfreuen. Wir warten drauf, dass Jesus wiederkommt. Nicht in einem Kaff in Judäa als Baby, sondern diesmal so, dass es die ganze Welt mitkriegt. Advent heißt: Wir warten auf Jesus, den Herrn, den Richter und Retter der Welt!

Wir warten auf den, der wiederkommt, um das Böse endgültig zu entmachten. Der den Bösen und die Bösen gleich mit abserviert. Wir warten auf den, der aller Korruption und allem Machtmissbrauch und allem Unrecht ein Ende macht. Wir warten auf den, der Hunger und Krieg für immer beseitigt. Wir warten auf das neue Jerusalem, wo Gott selbst wie ein netter Nachbar unter seinen Menschen lebt. Auf das ewige Leben auf einer neuen Erde, unter einem neuen Himmel, so, wie es Gott verheißen hat.

Wir wissen nicht, wann es so weit ist.  Da haben wir kein Datum. Keine Verheißung, die sich übers Jahr erfüllen wird, wie Abrahams Kinderwunsch. Der letzte Tag wird kommen, wie ein Dieb in der Nacht: Überraschung! Die tollste Überraschung für alle, die sich drauf freuen, die auf Jesus hoffen und die sich nach Gerechtigkeit sehnen. Eine sehr, sehr unangenehme Überraschung allerdings für alle, die im Aufstand gegen Gottes Gebote leben. Für die wird er als Richter kommen.

Übrigens: Wenn wir das Kapitel hier im ersten Mose weiterlesen, sehen wir: Das war damals schon so. Der Herr ist hier auf dem Weg nach Sodom. Auch dorthin kam er als Richter uns Retter. Den halbwegs frommen Lot und seine Familie hat er gerettet. Über Sodom und die Nachbarstadt Gomorrha hat er Feuer und Schwefel geschüttet. Die hatten es mit ihrer Gottlosigkeit nämlich übertrieben. Eine himmlische Aktion, die zeigen soll, was am Ende kommt.

Wir Christen warten drauf. Und wir beten drum. Täglich: Dein Reich komme! Und erlöse uns von dem Bösen! Und wir sollten fest damit rechnen, dass Gott unsere Gebete erhört. Dass er seine Verheißungen erfüllt. Dass Christus wiederkommt.

Und das ist doch auch unsere einzige Hoffnung. Wir Menschen reiten die Welt doch immer tiefer in die Grütze. Die Regenwälder brennen. Die Meere steigen. Das Virus mutiert. Und die Mullahs bauen die Bombe. Ich glaube nicht, dass wir alle Probleme in den Griff kriegen werden. Und ich glaube erst recht nicht, dass wir selbst den Himmel auf Erden schaffen werden.

Aber ich glaube, dass Christus wiederkommen wird. Ich glaube, dass Gott alle seine Verheißungen erfüllen wird. Ich glaube, dass er das mächtig vollenden wird, was er in Bethlehem ganz klein angefangen hat. Wir brauchen den Erlöser.

Aber nehmen wir das wirklich ernst? Der einsame Prophet, der mit dem Schild rumläuft: Das Ende naht!, der ist eine Witzfigur. Die Hoffnung auf einen kommenden Christus, das ist für Viele heute lächerlich. Erwählung und Verwerfung, Gericht und Gnade, Himmel und Hölle, das ist für die Meisten eine einzige Lachnummer.

Und damit sind wir wieder bei der alten Sara. Die stand hinter der Zeltwand und konnte über Gottes Verheißungen nur kichern. Doch ein paar Monate später hat sie es besser gewusst. Lernen wir von ihr!

Ja, wir dürfen Weihnachten feiern. Mit Corona-Auflagen, leise rieselndem Schnee und kitschigen Engelchen. Mit fetter Weihnachtsgans und noch fetterem Weihnachtsmann. Mit Familienkrach und teuren Geschenken und einem rotnasigen Rentier. Das Schlimmste ist: In Deutschland sind bis zum 10. Januar die Geschäfte zu. Wir können also nicht mal die Geschenke umtauschen gehen. Falls wir überhaupt noch welche gekriegt haben. Das alles gibt viele Gründe zur Satire. Da gibt es viel zu lachen. Wie der große Journalist Horst Stern mal festgestellt hat: „Es gibt Dinge, die kann man nur albernd ertragen“. Und das darf man auch.

Aber hüten wir uns davor, in den allgemeinen Spott über unseren Glauben einzustimmen. Machen wir nicht mit, wenn die Gebote Gottes verhöhnt werden. Und machen wir uns nicht mit über Gottes Verheißungen lustig! Wenn es um Gottes Wort geht, da ist schon ein müdes Grinsen zu viel!

Nein, was wir brauchen, ist zuversichtliche Freude. Freude darüber, dass Gott uns in Christus so nahe gekommen ist. Vorfreude auf sein Kommen.

Im Moment gibt es wirklich nicht allzu viel zu lachen. Die Pandemie vermiest uns viel. Sie kann auch junge Leute hart treffen; wir haben es in der Familie erlebt. Eine echt heimtückische Krankheit, – kein Wunder, wenn das Virus schon so aussieht wie eine Seemine. Die Gegenmaßnahmen haben Nebenwirkungen: Urlaubspläne, Beziehungen und ganze Existenzen werden zerstört. Das ist alles andere als lustig.

Aber wir haben Hoffnung. Die Hoffnung auf Jesus Christus. Die Hoffnung darauf, dass er kommt und alles gut macht. Ja, denen, die seine Versöhnung ablehnen, die gierig und brutal und rücksichtslos an Gott vorbeileben, denen wird am Ende das Lachen vergehen.

Aber für die Erlösten des Herrn gilt, was im 126. Psalm gesagt wird: Ihr Mund wird voll Lachens und ihre Zunge voll Rühmens sein. Und deshalb ist auch in diesen Zeiten Vorfreude angebracht. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen noch eine zuversichtliche Adventszeit. Und ein frohes Christfest!

 

Pfr. Thomas Hilsberg